Den Überblick behalten, den Titel verteidigen – Wir sind deutscher Meister U20 2024!

Teamcaptain Jeffrey Paulus berichtet – Auch in diesem Jahr war die SG Porz wieder mit sieben Teams in sechs verschiedenen Altersklassen bei den Deutschen Vereinsmeisterschaften (DVM) der Deutschen Schachjugend vertreten. Als amtierender Deutscher Meister des Vorjahres, bei dem wir mit einer makellosen Bilanz den Titel geholt haben (siehe hier: https://www.sg-porz.de/2024/01/02/mission-accomplished-wir-sind-deutscher-meister-u20-2023/), hat sich unser U20-Team über den 3. Platz in der Jugendbundesliga West erneut für die DVM qualifiziert, die in diesem Jahr im äußersten Südwesten Deutschlands, in der Jugendherberge Breisach am Rhein vom Schachklub Freiburg-Zähringen ausgerichtet wurde.

Unser Team war dabei nach dem altersbedingten Ausscheiden des „goldenen Jahrgangs“ 2003 gegenüber dem Vorjahr deutlich verändert – die Spitzenbretter besetzten FM Jonas Gallasch und Christian Gluma, die beim letztjährigen Titelgewinn auch schon dabei waren, außerdem blieb uns aus dem Vorjahresteam noch Rafael Sabirov erhalten, der das 4. Brett besetzte. Die freien Plätze in der Mannschaft besetzten Maximilian Menzel (Brett 3), der in den letzten zwei Jahren einen extremen Leistungssprung gezeigt hat, Victor Kruse (Brett 5), der vor Beginn der letzten Saison vom SK Köln-Südwest zu uns gewechselt ist, sowie Julian Kliffken (Brett 6), der uns zwar zum Beginn dieser Saison Richtung Eschweiler verlassen hat, aber für die DVM 2024 noch für uns spielberechtigt war. Auch Julian, der 2023 in unserem U16-Team das vierte Brett besetzt hat, hat in den vergangenen 12 Monaten einen mächtigen Leistungssprung gezeigt und seine DWZ von rund 1500 auf knapp 2000 geschraubt. Als Trainer konnten wir unser letztjähriges Spitzenbrett der U20-Mannschaft und Zweitligaspieler FM Alexander Suvorov gewinnen und auch Thomas Gluma war als Organisator und Mädchen für alles wieder dabei.

Die Anreise unserer neunköpfigen Delegation am zweiten Weihnachtstag gestaltete sich holprig, da wir aufgrund eines Personenschadens einen unfreiwilligen zweistündigen Zwischenstopp in Offenburg einlegen mussten. Dadurch verpassten wir das Abendessen in der Jugendherberge und erreichten nach einem Zwischenstopp beim Restaurant mit dem großen goldenen M erst gegen 21:45 Uhr unser Ziel in Breisach. Die idyllisch direkt am Rhein und der Grenze zu Frankreich gelegene Jugendherberge begrüßte uns mit dichtem Nebel und Temperaturen unter dem Gefrierpunkt, was sich leider über den gesamten Turnierverlauf weitgehend durchzog – es war eisig kalt und die Sonne kam nur selten durch die trübe Nebelsuppe durch.

Zu dieser späten Stunde waren die Aufstellungen der anderen angereisten Teams schon klar und es zeigte sich, dass wir mit einem DWZ-Schnitt von 2145 an Position zwei gesetzt waren, hinter unserem Dauerkonkurrenten des Hamburger SK (HSK, Schnitt 2193). Vier weitere Teams konnten einen DWZ-Schnitt von über 2000 aufbieten, darunter uns aus den Vorjahren gut bekannte Konkurrenten aus Neuberg (Setzliste 3, Schnitt 2057) oder Münster (Setzliste 5, Schnitt 2028).

Die Auslosung der ersten Runde paarte unser Team gegen den KSV Rochade Göttingen, der in den vergangenen Jahren bei der DVM stets über der nominellen Erwartung performt hat. In diesem Mannschaftskampf lief für die Göttinger jedoch nicht viel zusammen und unsere nominellen Vorteile an allen Brettern setzten sich nach und nach durch. Lediglich Max vertrödelte etwas zu viel seiner Bedenkzeit am Anfang der Partie, sodass ihm die technische Verwertung seines gewonnenen Turmendspiels nicht gelang und wir Göttingen mit einem 5,5:0,5-Auftaktsieg nur knapp nicht die Höchststrafe verpasst haben.

In der zweiten Runde kreuzten wir die Klingen mit der SG Leipzig, an deren Spitze mit IM Nguyen der nominell stärkste Spieler des Turniers spielte. Wir besiegten den sächsischen Vertreter knapp mit 3,5:2,5, allerdings wirkte der Mannschaftssieg von außen nie wirklich gefährdet. Julian gewann schnell, Rafael und Victor vergrößerten ihre Vorteile stetig und verdichteten diese zum Sieg und auch Jonas war gegen IM Nguyen am Drücker und remisierte aus der Position der Stärke. Max‘ Niederlage war sicherlich auch einer erneut verbesserungsfähigen Bedenkzeiteinteilung anzulasten und ähnliches traf auch auf Christian zu, der in den kritischen Momenten seiner Partie ebenfalls zu starke Zeitprobleme hatte. Insgesamt verliefen die ersten beiden Runden jedoch weitgehend erwartungsgemäß, wobei die TSG Oberschöneweide ein erstes Ausrufezeichen setzte und dem HSK ein 3-3 abringen konnte.

Mit zwei Auftaktsiegen und der Tabellenführung im Rücken stand uns nun in Runde 3 der erste richtig dicke Brocken bevor – die SF Neuberg. Unsere Begegnung im letzten Jahr war vor allem deshalb recht ungefährdet, da Alex Suvorov einen schnellen Schwarzsieg gegen das Spitzenbrett FM Richard Bethke holen konnte. Dieses Mal drehen sich die Vorzeichen jedoch leider schnell um. Victor bietet mit Weiß in einer vorbereiteten Theorievariante des Leningrader-Holländisch eine Qualität an, die sein Gegner korrekterweise nicht nimmt. Nur drei Züge später verrechnet sich Victor jedoch eklatant und erlaubt einen Zwischenzug, der eine Figur kostet. Die entstehende Ruine birgt auch wenig Potenzial für Chancen zum Pfuschen, sodass wir nach einer guten Stunde mit 0-1 in Rückstand liegen. Dadurch steigt der Druck auf unser Team und das Risiko wird höher geschraubt. Julian erzielt zwar souverän nach rund drei Stunden den Ausgleich, aber die anderen Partien stehen Spitz auf Knopf. Rafael konnte seinem Gegner zwar einen Turm und einen Bauern abnehmen, dafür hat der Gegner aber ein sehr lästiges Läuferpaar und es ist reichlich unklar, wer hier eigentlich auf Gewinn spielt. Max opfert einen Bauern und viel Bedenkzeit, schnürt dafür seinen Gegner maximal ein, sodass bei vollem Brett fast eine Zugzwangstellung entsteht. Sein Gegner investiert darauf ebenfalls viel Zeit und findet schließlich die Möglichkeit, Max‘ harten Griff unter Opfer einer Qualität zu lösen. Die entstehende Stellung ist verschachtelt und ein klassischer Fall von „wer sich zuerst rührt, verliert“, sodass ein Remis das folgerichtige Ergebnis ist. Parallel gibt es jedoch zwei weitere Zeitnotdramen – Jonas versucht, ein ausgeglichenes Endspiel in ein Endspiel mit Mehrbauer zu transformieren. Leider hat die Variante ein dickes Loch – er hat zwar einen Mehrbauer, aber im Austausch gegen eine Minusfigur. Beim Stande von 1.5-2.5 hat Christian großen Vorteil mit Schwarz in seiner Partie gegen den fast 2300 ELO schweren Neuberger Adam-Kristof Baranyai-Molnar angehäuft, der ihm in der Zeitnotphase jedoch entgleitet. Sein Gegner erhält ein sehr gefährliches Freibauernpaar am Damenflügel, welches sich als entscheidend gegenüber Christians Bauernwalze im Zentrum erweist. Baranyai-Molnar wickelt nach knapp fünf Stunden technisch sauber in ein gewonnenes Springerendspiel ab und besiegelt damit unsere erste Niederlage bei der DVM U20 nach einer Serie von 17 Siegen und 1 Unentschieden am Stück. Rafael kann zwar abschließend noch seine Partie gewinnen, da er das gegnerische Läuferpaar gebändigt bekommt, mit dem 2.5:3.5 gegen Neuberg sind wir jedoch in einer ungewohnten Drucksituation angekommen.

In Runde 4 kam es jedoch trotzdem zum traditionellen Showdown gegen den Hamburger SK – diesmal jedoch unter ganz anderen Vorzeichen als in den letzten drei Jahren, als beide Teams jeweils als Erst- und Zweitplatzierter im Turnier aufeinandertrafen. Wer verliert, kann sich von seinen Titelträumen so gut wie verabschieden.

Auch in diesem Jahr bietet dieser Kampf wieder höchstes Drama und Emotionen, den ersten Punkt können wir jedoch setzen – Julian macht einfach da weiter, womit er in den drei Runden vorher angefangen hat – schnell spielen, minimale positionelle Vorteile kneten und den Gegner dann einfach überspielen. Sein Gegner ist rasch in Zeitnot und lässt sich dann mit überraschend wenig Widerstand von Julian überfahren – 1:0 für Porz. Die nächste Partie endet am dritten Brett. Max Gegner Faris Avdic – im letzten Jahr noch Hamburgs Mr. 100% mit 7/7 – überrascht damit, dass er auf Max Nimzoindisch-Avancen mit 3. Sf3 reagiert, was so in den Datenbanken von ihm noch nicht zu finden war. Max wechselt daher spontan zu Damenindisch und die Partie endet nach recht ereignisarmen 28 Zügen in einem Remisangebot von Avdic, welches Max angesichts unserer Führung akzeptiert. Leider ist jedoch absehbar, dass wir am Spitzenbrett den Ausgleich kassieren werden. Jonas spielt zum zweiten Mal binnen drei Wochen gegen Isaac Garner und sinnt auf Revanche für seine Niederlage in der 2. Bundesliga. Nach einem längeren theoretischen Scharmützel im Königsindisch reagiert Jonas auf einen Springerzug von Garner nicht optimal und sieht sich einem scharfen Königsangriff ausgesetzt, den er nur auf Kosten von zu großen positionellen Nachteilen abfedern kann. Auch die letzte Nebelkerze eines Qualitätsopfers im Breisacher Frost verpufft und es bleibt Jonas nur die Aufgabe der Partie. Beim Stand von 1.5-1.5 überschlagen sich in Zeitnot die Ereignisse.

Rafael spielt gegen Bahne Fuhrmann, welcher die größte Eröffnungsüberraschung des Tages setzt und auf Rafaels e4 nicht mit e5 antwortet, sondern mit e6 zum ersten Mal in seinem Leben auf Französisch setzt. Er hat eine superscharfe Variante der Steinitz-Verteidigung vorbereitet, bei der er einen Springer für zwei Bauern am Damenflügel opfert, mit der Zielsetzung, den Gegner mit seinen schon weit fortgeschrittenen Bauern auf b4 und c4 zu überrollen. Für einen unpräparierten Gegner ein Alptraum, doch zufällig ist Rafael diese Variante bekannt und er kann alle Klippen umschiffen und im weiteren Verlauf selber zum Königsangriff blasen. Rafael erspielt gewinnverheißenden Vorteil und ist auf dem besten Wege, eine Glanzpartie zu spielen, doch dann übersieht er ein kleines Detail in seiner Vorausberechnung. Mit einem Turmopfer will er einen verteidigenden Turm ablenken, um anschließend mit einem Dame-Springer-Pärchen in die Königsstellung einzudringen und den seiner Verteidiger entleibten König zu erlegen. Leider hat das Dame-Springer-Pärchen jedoch nicht mehr als ein Dauerschach, da der König beim Versuch, weitere weiße Kräfte heranzuführen, in Sicherheit entwischen würde. Eine verpasste Chance und damit 2-2.

Am zweiten Brett kommt es zur einzigen Neuauflage einer Vorjahrespaarung – Christian spielt erneut mit Weiß gegen Jakob Weihrauch, den er letztes Jahr mit einer Glanzpartie besiegen konnte. Diesmal zeigt sich Jakob jedoch besser vorbereitet und hat im Mittelspiel mit dem sichereren König und dem Läuferpaar sicherlich die besseren Chancen. Es folgt ein Zeitnotdrama erster Güte. Die Stellungsbewertung wogt hin und her und Jakob setzt sich an, Christian König zu erlegen. Es ist jedoch kompliziert, Christian verteidigt sich ideenreich und kann dann den entscheidenden taktischen Schwinger setzen und die Partie für sich entscheiden! Beim Stand von 3-2 bleibt damit nur noch Victors Partie offen.

Victor hat im Mittelspiel eine Qualität erobert, dann jedoch im Bestreben, mit einem Damentausch die Stellung zugunsten seiner etwas luftigen Königsstellung zu vereinfachen, seinem Hamburger Gegner ermöglicht, ein mächtiges Läuferpaar und einen gedeckten Freibauern auf d6 zu installieren. Nur mit einer Reihe von Klimmzügen kann Victor mit seinen beiden Türmen gerade genug Gegenspiel installieren, um den weißen König beschäftigt zu halten, sodass der weiße Freibauer den Tag nicht entscheidet. Erst lange nach der Zeitkontrolle bietet sich eine Victor eine Gelegenheit, durch Rückopfer der Qualität in ein Endspiel mit Springer gegen Läufer abzuwickeln, welches aufgrund der reduzierten Bauernzahl und der Möglichkeit, den weißen Freibauern auf alle Ewigkeit mit dem König zu blockieren remis ist. Die Anspannung löst sich bei den Zuschauern daraufhin langsam, doch wenige Minuten später gehen Hamburger und Porzer Teammitglieder wieder in den Turniersaal und stellen mit Unglauben fest, dass auch die letzten Leichtfiguren abgetauscht worden sind. Das Bauernendspiel muss doch verloren sein, oder? Ja, es ist verloren, Achterbahnfahrt der Gefühle. Die Spieler ziehen einmal die Könige hin und her, dann zieht der Hamburger Spieler noch einmal zurück und bietet enttäuscht remis an. Victor nimmt an, ungläubige Erleichterung bei uns, Entsetzen bei den Hamburgern – Porz gewinnt 3,5:2,5 und ist damit erster Verfolger von Neuberg, die die TSG Oberschöneweide mit einer starken Vorstellung 5:1 besiegen.

Das Favoritenfeld hatte sich damit weiter gelichtet, sodass andere Vereine aus dem Mittelfeld in die Spitzenpaarungen hochgespült wurden. Neuberg spielte gegen Mitfavorit Krefeld (die zuvor in Runde 3 den HSK unterlegen waren) und wir bekamen den Ausrichter aus Freiburg-Zähringen zugelost, die nach einer Auftaktniederlage gegen den HSK alle drei Kämpfe gegen teils höher eingeschätzte Teams siegreich gestalten konnten. Nominell ein machbares Los, aber gerade diese Teams, noch zusätzlich mit der Sondermotivation als Ausrichter können unangenehme Herausforderungen werden. Freiburg zählte an diesem Tag jedoch nicht zu dieser Kategorie. Julian gewinnt wieder „nach Belieben“ und hat nach seiner rund zweistündigen Partie mehr Bedenkzeit auf der Uhr, als am Anfang der Partie und setzt sich auf fantastische 5/5! Das gibt dem Team von Runde zu Runde mehr Sicherheit. Insgesamt wehrt sich Freiburg nach Kräften, ist insgesamt jedoch ziemlich chancenlos und wir gewinnen mit 5,5:0,5 (Christian remisiert) erneut hoch, was für unsere Feinwertung bei Punktgleichheit Gold wert ist. Unsere Hoffnung, Neuberg noch abzufangen, fußte im Wesentlichen darauf, dass Neuberg noch gegen den HSK spielen werden müsse – doch dann kam die Schützenhilfe schon eher aus NRW – Krefeld spielt seinen vermutlich besten Mannschaftskampf der DVM und schlägt Neuberg ungefährdet mit 3.5-2.5, befördert uns damit zurück an den Platz an der Sonne und ist selber voll im Titelrennen dabei!

Folgerichtig gibt es nur eine Paarung in der Vorschlussrunde – das NRW-Duell zwischen Porz und Krefeld an Tisch 1. Jetzt sind unsere Jungs voll da und spielen ihr vermutlich beste Leistung im Turnier. Julian macht, was Julian in Breisach halt so tut, schnell spielen und wieder mal in unter zwei Stunden gewinnen und der Rest des Teams gibt auch Gas. Rafael dominiert das Caro-Kann seines Gegners mit der Fantasy-Variante 3. f3, Christian federt die wüsten Angriffsbemühungen seines Gegners mit leichter Hand ab, nutzt die entstehenden Felderschwächen konsequent aus und lässt sich auch von den abschließenden Verwirrungsversuchen seines Gegners in Zeitnot nicht aus dem Konzept bringen. Mit diesen drei Siegen braucht Jonas auch nicht mehr als das Nötigste tun und kann die Friedenspfeife mit seinem Gegner rauchen. Wir gewinnen den Kampf am Ende „nur“ mit 4.5-1.5, da Max leider einen Rückfall in Sachen Verwertung gewonnener Stellungen erleidet und sich von seinem Gegner veräppeln lässt und Victor seine Kräfte schont, obwohl er die Möglichkeit hatte, zu einer Vereinslegende zu werden, indem er das extrem seltene Endspiel mit zwei Springern gegen einen blockierten gegnerischen Freibauern innerhalb von 50 Zügen zum Matt zu bringt. Rafaels Bruder Ramil hätte ihm wohl ein Denkmal gebaut, nachdem er selber bei der DEM 2016 nur denkbar knapp an dieser Aufgabe gescheitert ist (siehe hier: https://www.deutsche-schachjugend.de/2016/dem-u18/partien/3-8/).

Die Meisterschaft blieb jedoch auch nach der Vorschlussrunde extrem spannend, da Neuberg den morgendlichen Dämpfer gegen Krefeld gut weggesteckt hat und im Parallelkampf den HSK ebenfalls mit 3.5-2.5 niederringt, lediglich die Feinwertung spricht vor der Schlussrunde knapp zugunsten des Porzer Teams. Außerdem klopft die TSG Oberschöneweide wieder im Titelrennen an, die nach ihrer Abreibung gegen Neuberg zwei starke Reaktionen gegen Leipzig und Freiburg zeigen und mit einem Mannschaftspunkt Rückstand auf Position 3 stehen.

Die Schlussrunde brachte damit die folgenden Paarungen im Titelkampf:
TSG Oberschöneweide (9) – SG Porz (10)
SF Neuberg (10) – SK Münster (8)

Nominell ähnlich schwere Lose für die beiden Spitzenteams, Münster schwamm nach zwei Niederlagen in Runde 1 und 3 lange im weiten Feld mit, hatte aber nun mit einem Sieg auch wieder realistische Chancen auf den Bronzerang.

Ich sage es jedes Jahr wieder, letzte Runden bei DVMs haben ihre eigenen Gesetze, und auch dieses Jahr war keine Ausnahme. Vor der Runde wurde viel Feinwertung gerechnet und über was wäre wenn auf den anderen Plätzen sinniert und am Ende kam doch wieder alles ganz anders.

Unser abschließender Kampf produziert über drei Stunden lang keine Resultate und endet dann mit einer kleinen Überraschung – Julian gewinnt nicht! Objektiv war in seiner Partie das Gleichgewicht wohl auch nie groß gestört, aber nach den Erfahrungen der bisherigen Runden traut man ihm langsam zu, aus jedem Stein noch Wasser pressen zu können. Doch das entstandene Damenendspiel am Ende seiner Partie war selbst Julian zu trocken, sodass er das Remisangebot seines Gegners nach Rücksprache mit Mannschaftsführer Jonas akzeptierte und seine DVM „nur“ mit überragenden 6.5/7 abschloss. Anders als in vorherigen Kämpfen kristallisierten sich im Zeitverlauf aber nicht überwiegend Vorteile bei unseren Spieler heraus. Lediglich bei Victor hat man als Zuschauer fortwährend den Eindruck, dass er am Drücker sei, aber Rafael ist in eine teuflische Vorbereitung seines Gegners geraten, bei der wieder eine Figur für zwei seiner Bauern geopfert wurde. Diesmal war Rafael in der Theorie aber nicht so sattelfest wie gegen Hamburg und musste viel Bedenkzeit für die Verteidigung der mannigfaltigen Drohungen gegen seinen entblößten König aufwenden. Es gelingt ihm seine Dame und ein paar Bauern gegen einen Turm und zwei Läufer zu tauschen, aber Rafaels Figuren stehen unkoordiniert und die Stellung ist zwischenzeitlich objektiv klar verloren. Parallel verliert Christian nach vielversprechender Eröffnung ebenfalls komplett den Faden, landet in einer passiven Stellung und kann nicht verhindern, dass der Gegner sein Läuferpaar mit tödlichen Drohungen zum Leben erweckt. In der Zeitnotphase fallen mehrere Bauern in Christians Hinterland vom Brett und wenige Züge später bleibt nur die folgerichtige Aufgabe. Da Victor jedoch parallel einen Sargnagel auf c6 etablieren kann und damit die Partie zum Sieg führt, steht es zur Zeitkontrolle 1.5-1.5.

Rafaels Stellung ist jedoch weiterhin schwierig, Jonas hat ein sehr remisverdächtiges Endspiel auf dem Brett und Max große Vorteile, aber die Verwertung würde noch einiges an Arbeit bedeuten. Mindestens ein 3-3 war damit ein realistisches Szenario, was bei einem gleichzeitigen Neuberger Sieg das Ende der Titelverteidigungsträume bedeuten würde.

Dass der Neuberger Sieg auch ein hartes Stück Arbeit werden würde, zeichnete sich im Kampf gegen Münster auch schon früh ab, aber nach der Zeitkontrolle war klar, dass Neuberg wahrscheinlich nicht der neue Meister werden würde. Münster führte 2.5-1.5 und hatte an einem Brett eine Mehrqualität ohne großartige Kompensation für Neuberg. Das war insofern brisant, da Oberschöneweide dadurch plötzlich die goldene Option hatte – 2 Punkte aus den drei noch laufenden Partien gegen uns holen und parallel auf die Verwertung der Mehrqualität hoffen. Die Anspannung im Raum war greifbar, die Luft knisterte förmlich.

Der entscheidende Moment der Meisterschaft war vermutlich nach rund vier Stunden erreicht, als Rafael es gelang, seine Figuren ausreichend zu koordinieren und Gegendrohungen zu kreieren. Sein Berliner Kontrahent findet keinen anderen Weg, als die Partie mit einer Zugwiederholung in den Remis-Hafen zu steuern, wodurch die größte Verlustgefahr an unseren Brettern neutralisiert wurde. Beim Stand von 2-2 endete parallel der Kampf von Neuberg gegen Münster mit einem 3-3, da der Münsteraner Spieler seine Mehrqualität überraschenderweise nicht verwerten konnte. Damit war klar, dass wir mit einem 3-3 ebenfalls Meister sind. Max hatte inzwischen ein Damenendspiel mit zwei Mehrbauern erreicht, jedoch war sein König temporär abgeklemmt und auf Matt stehend – keine angenehme Situation für mitfiebernde Zuschauer, zumal seine Bedenkzeit wieder bedenklich tief gesunken war. Nach Kenntnis des Neuberger Ergebnisses riet Mannschaftsführer Jonas Max daher, Remis anzubieten, welches sein Gegner aufgrund der objektiven Verluststellung annahm. Umgehend danach bot Jonas seinem Gegner ebenfalls das Remis in dem auch objektiv remisen Endspiel an, welches ebenfalls akzeptiert wurde. Mit einem zittrigen 3-3 haben wir es geschafft – wir haben unseren Meistertitel verteidigt! Parallel freut sich Oberschöneweide nach einem sehr starken Turnier über den 3. Platz.

Das Team ist erleichtert und freut sich über den Meistertitel, allerdings ist die Freude nicht so ausgelassen wie beim letztjährigen Titelgewinn. Das ist insoweit verständlich, weil diese Meisterschaft nicht so souverän war, wie im vergangenen Jahr, allerdings sollte der hohe Anspruch des Teams an seine eigene Leistung nicht überdecken, dass wir mit der Titelverteidigung etwas Außergewöhnliches geleistet haben, was uns bisher auch erst einmal zuvor als Verein gelungen ist (mit der U20 2017 und 2018). Unser Anspruch ist mittlerweile extrem hoch, ich habe manchmal das Gefühl, wir müssen aufpassen, nicht unrealistisch zu werden.

Dieses Jahr haben wir an den vorderen drei Brettern etwas unterperformt, dies wurde aber durch die starken bis herausragenden Performances von Rafael (6/7), Victor (5/7) und Julian (6.5/7), die allesamt die 1. Brettpreise an den Brettern 4 bis 6 gewonnen haben, mehr als kompensiert. Nach zwei Siegen in Serie fällt es fast schon schwer, sich noch neue Ziele zu setzen, um die Motivation weiterhin hochzuhalten, wir haben da wirklich ein Luxusproblem. Ich versuche es jedoch zumindest einmal… drei Titel in Folge, das wäre selbst für uns Neuland, ich wäre nicht abgeneigt, dieses zu erkunden 😉

Die detaillierte Endtabelle kann man auf den Seiten der DSJ finden; dort gibt es auch eine Einzelstatistik unseres Teams.

Schließen möchte ich diesen Bericht erneut mit einem großen Dankeschön. Erneut war die SG Porz in diesem Jahr der erfolgreichste Verein bei den DVMs, neben dem Titel in der U20 haben wir mit dem Vizemeistertitel in der U16 und zwei Bronzerängen in der U14 und U16w sowie einem 4. Platz in der U12w und dem 6. Platz in der U10 in allen Altersklassen, in denen wir qualifiziert waren, ganz vorne mitgespielt. Vier Podiums-Platzierungen in einem Jahr sind Vereinsrekord. Das ist außergewöhnlich und nahe am Maximum.

Das geht nur mit einer exzellenten Trainingsarbeit in der Breite und Spitze und einer massiven Teamarbeit von allen Spielern und Trainern/Betreuern vor Ort, die absolut nicht selbstverständlich ist und für uns in der Zukunft auch nicht als selbstverständlich angesehen werden darf.

Ich bin daher dankbar für alle, die in den letzten fünf Tagen vor Ort ihr Herzblut in Ihre Teams reingesteckt haben und unseren Jungs und Mädels eine Siegermentalität vermittelt haben, die uns zu diesen tollen Erfolgen bei diesen DVMs geführt haben.

Ein großes Danke daher an:
– Robin Gallasch
– Dmitrii Marcziter
– Ramil Sabirov
– Michael Scharfenberg
– Martin Slowik
– Alexander Suvorov
– Uli Thiemonds
– Elena Trunz
– Florian Spindler für die finanzielle Abwicklung im Vor- und Nachlauf

und alle mitreisenden Eltern/Begleitpersonen, die ich nicht im Detail aufzählen möchte, weil ich sicherlich irgendjemand Wichtigen vergessen werde, weil ich selber nur an einem der sechs DVM-Orte vor Ort war.

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